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11. Etappe: Leezdorf – Jever

11. Etappe: Leezdorf – Jever

Aber jetzt – die Nordsee

Nach einer traumlosen Nacht in einem viel zu warmen und noch dazu viel zu kleinen ausgebauten Speicher geht es weiter. Ich habe mir vorgenommen, mich auf der ganzen Tour nicht über meine Fehler zu ärgern. Aber die Sparsamkeit bei der Hotelbuchung für die letzte Nacht war wirklich ein großer Fehler. So etwas als Hotelzimmer zu vermieten grenzt schon an eine Frechheit – aber gut, ich ärgere mich ja nicht und gut schlafen kann ich Gott sei Dank fast überall.

Also rauf aufs Rad und nach vorne schauen. Jetzt kommt gleich Norddeich. Irgendwie war das immer schon der Sehnsuchtsort meiner Kindheit. Da in meiner Kindheit Fernreisen quasi unmöglich waren, wir hatten weder ein eigenes Auto noch einen Telefonanschluss, mussten die Reisen eher im Kopf stattfinden. Und da gab es ein damals schon altes Röhrenradio mit magischem Auge – so nannte man die Röhre, die die Empfangsstärke anzeigte – und einer Senderskala, auf der die Sender noch aufgedruckt waren. Einer davon war Norddeich Radio – und den konnte man sogar im Saarland in schlechter Qualität empfangen. Und mir ist der Spruch der Sprecher in Erinnerung geblieben: „Hier ist Norddeich Radio“. Das war weit weg, am Meer – da konnte man träumen.

Inselparken

Aber ich wollte ja nach vorne schauen. Norddeich ist ein kleiner Kutter- und Fährhafen. Von dort geht es auf die Ostfriesischen Inseln. Bevor man also das Meer sieht, sieht man ein Meer von geparkten Blechbüchsen, die geduldig auf die Rückkehr ihrer Besitzer warten.

Und dann geht es lange hinter dem Deich entlang, also wieder nix mit dem Meerblick. Okay, besteigen wir die Deichkrone, um endlich mal die Nordsee zu sehen. Wieder nix: der Mond hat das Wasser entführt – es ist Ebbe.

Windkraft

Was bleibt mir übrig, weiter radeln und hoffen, dass der Mond das Wasser wieder zurückbringt. Das funktioniert seit Jahrtausenden zuverlässig, also sicher auch heute. Während man so radelt und sich Gedanken über Dies und Das macht, fallen einem die Mengen an Windkraftanlagen ins Auge. Da fallen mir natürlich sofort Sprüche wie „Verspargelung der Landschaft“, „Gefahr für die Biodiversität“, usw. ein. Sieht man links den ungeheuren Aufwand, den die Menschheit seit Jahrhunderten betreibt, um dem Meer etwas Ackerland abzutrutzen, versteht man, wieso diese Sprüche bei Friesen nicht fruchten. Gerade hier kämpft man beständig um die Abgrenzung zum Meer. Die Deiche sind sicher auch ein erheblicher Eingriff in die Natur, tun aber ihre Wirkung. Und jeder Zentimeter, den der Meeresspiegel aufgrund der Klimaerwärmung steigt, macht diesen Kampf schwieriger. Also sind die unzähligen Windkraftanlagen hier nur konsequent.

Politiker, die ihre Liebe zu Insekten entdecken und diese gegen Windkraftanlagen ins Feld führen, werden hier sicher nicht gewählt. Wohl wissend, dass die gleichen Leute in ihren SUVs mit 200 km/h über die Autobahn brausen und sich über die verschmierte Windschutzscheibe ärgern.

Die letzten 20 km geht es dann wieder etwas weg von der Küste. Wunderschön durch Ackerland, das ohne Dämme nicht existieren würde,  auf direktem Weg in die nächste Bierstadt. Tolles Hotel – entschädigt für die Kemenate der letzten Nacht. Jetzt noch schnell duschen und schauen wo das Fußballspiel Frankreich – Deutschland übertragen wird.

Ach ja, eine Anekdote des heutigen Tages habe ich noch vergessen zu erwähnen. Wenn man am Deich radelt, muss man entweder über Schafsgitter oder manchmal gibt es auch Türen zwischen den einzelnen Abschnitten. An eben einer solchen Tür steht ein Mann in meinem Alter und hält mir diese freundlich auf. Als ich durchrolle, sagt er „Ich kenn dich aus dem Fernsehen, du bis doch der, der für die Kinder um Deutschland radelt.“. Herrlich – jetzt bin ich berühmt – nun ja, ein bisschen zumindest. Auf Nachfrage stellt sich raus, dass Hans-Werner aus Göttelborn im Saarland kommt. Und weil er es sowieso wollte, drückt er mir Geld in die Hand und sagt, das sei für die Kinder mit den Rädern. Ganz super lieb – aber, da muss er sich schon selbst auf die Spenderliste setzen – sonst komm ich durcheinander.

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2 thoughts on “11. Etappe: Leezdorf – Jever

  1. Werner Michaltzik

    Hallo, Michael,
    weiter viel Kraft und erträgliches Wetter, die Ostfriesenrunde haben wir auch schon mal gedreht, da kommen bei der Erwähnung deiner Durchfahrorte schöne Erinnerungen hoch, wir haben von Norddeich noch einen Tagesausflug nach Norderney eingeschoben, in Bremerhaven würde ich gerne mal das Auswanderermuseum besuchen, aber das liegt schon ziemlich weit im Norden, egal,
    bleib fit, wir begleiten dich im Geiste
    Gruß
    Elka und Werner

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