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26. Etappe von Lübeck nach Wismar

26. Etappe von Lübeck nach Wismar

Hier standen sich die beiden Deutschlands gegenüber

Auf der einen Seite lagen die dekadenten Klassenfeinde nackt an diesem Strand. Nur durch eine Kette getrennt verteidigten die DDR-Grenzsoldaten im Moleskin-Anzug und schwer bewaffnet den Arbeiter- und Bauernstaat. So zumindest ist das die Erinnerung einer Dame, die wie immer bei schönem Wetter auf dem Weg zum Strand die Fähre nach Priwall genommen hat.

Doch von vorne. Lübeck habe ich gegen 9.00 schweren Herzens verlassen. Dort hätte man noch gemütlich das Willy Brandt Haus besichtigen müssen. Auch das Günter Grass-Haus wäre sicher einen Besuch wert gewesen. Thomas und Heinrich Mann sind ebenfalls Söhne der Stadt und haben hier ihre Spuren hinterlassen. Und außerdem ist es einfach schön hier und in der Stadt pulst bei diesem Wetter das Leben. Überhaupt, mir fällt ein, keinen Krümel Marzipan gegessen zu haben – unverzeihlich!

Trotzdem geht es weiter in Richtung Wismar, mal schauen was in den neuen Bundesländern so los ist. Auf dem Weg dorthin geht mir einfach nicht aus dem Kopf den Beitrag heute so zu beginnen: „Logbucheintrag des Sternenkreuzers … endlose Weiten“. Tatsächlich scheint die damalige DDR Führung den Bereich hinter dem antifaschistischen Schutzwall möglichst von Menschen befreit zu haben. Oder aber Nordwest-Mecklenburg ist insgesamt nicht sonderlich dicht besiedelt. Tatsache ist, dass sich endlose Weiten auftun.

Habe ich vor kurzem noch die Dänen für ihre Weitsicht aufgrund ihrer übersichtlichen Parzellierung gelobt, so erlebe ich hier genau das Gegenteil. Felder und einsame Strände soweit das Auge reicht.

Dann noch ein Augenschmaus. Da hat ein kluger Mensch eine Streuobstwiese einfach so am Radweg angelegt. Und damit nicht genug – jeder Baum ist mit einer Tafel beschrieben – sehr gut. Dabei fällt mir ein, dass ich die Erdbeeren, die ich im endlosen Erdbeerfeld geklaut hab, auch ohne Tafel erkannt habe.

Dann noch ein Hilfegesuch einer jungen Frau, deren Sattelstütze im Rahmen versunken ist. Sie braucht dringend einen 13er Schlüssel. Ich möchte natürlich helfen und stelle fest, dass das Werkzeug ganz unten in der Packtasche ist – nicht so klug. Und natürlich habe ich auch keinen 13er dabei. Ist auch an meinem Fahrrad nicht verbaut. Meine gute By.Schulz LT hat eine modernere Befestigung. Also kann ich nicht helfen – schade.

Dann komme ich in Kalkhorst an einer Ruine der NVA vorbei – dachte ich. Als ich näher komme, sehe ich, dass das Ding noch in Betrieb ist und jetzt wahrscheinlich amerikanische Drohnen steuert. Bemerkenswert ist, dass die Kasernenkommandantin/der Kasernenkommandant vor dem Gebrauch der Schusswaffe warnt. Und was ist mit dem dritten Geschlecht?

Niemand regt sich über Schusswaffengebrauch auf, schließlich bemüht sich die Bundeswehr um eine gendergemäße Sprache ☻.

Und dann noch Schloss Bothmer in Klütz. Wahnsinn – wer wohnt da? Mit Schlossgraben zur sicheren Verteidigung. Kurz vor Wismar komme ich noch durch Zierow, ein staatlich anerkannter Erholungsort. Ob die dort auch eine staatlich anerkannte Einrichtung der Erwachsenenbildung haben. Was man mit Wörtern alles machen kann 🙂

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